Mit den einschneidenden Änderungen im Leben der Menschen änderte sich im 18. Jahrhundert auch ihre Einstellung zur Musik. Vorher wurde zwar in der Kirche, auf Festen oder bei Repräsentationsveranstaltungen des Fürsten musiziert, jedoch selten im Privaten. Aus der einfachen Hausmusik in bürgerlichen Haushalten entstand gediegene „Kammermusik“ mit kleiner Instrumentalbesetzung in den Salons.
Dabei leitet sich der Begriff her von „musica da camera“ – im Mittelalter alle für die höfische „Kammer“ bestimmten, weltlichen Musik-Arten. Es waren nicht mehr nur die Fürsten, die in den Genuss von schön komponierter Musik kamen.
Damit die Bürger selbst musizieren konnten, brauchten sie einfache Kompositionen, von denen das Lied am beliebtesten war. Es beinhaltete aus dem Leben gegriffene, gesungene Texte ohne großen Anspruch, damit – so J.A.P. Schulz im Vorwort zu einer der massenhaft gedruckten Liedersammlungen – „auch ungeübte Liebhaber des Gesanges, sobald es ihnen nicht ganz und gar an Stimme fehlt, solche leicht nachsingen und auswendig behalten können“.
Georg Philipp Telemann: ein Unternehmer im Musiksektor
Zu dieser Entwicklung trug auch der wirtschaftliche Erfolg Einzelner bei. Mäzene kamen nicht mehr nur aus der Oberschicht, sondern oft aus dem Bürgertum. Und Spielvorlagen wurden professionell vermarktet. Auf diesem Gebiet war Georg Philipp Telemann (1681-1767) besonders fleißig: Er wirkte nicht nur als einer der europaweit bekanntesten Musiker seiner Zeit mit einem vielseitigen und umfangreichen Fundus an Kompositionen aus Spätbarock bis Frühklassik – darunter allein 50 Opern, 1400 Kirchenkantaten, 1000 Orchestersuiten und 100 Solokonzerten – sondern auch als Unternehmer im Musiksektor. Er veranstaltete öffentliche Konzerte – ein Novum! –, ließ seine Musikdrucke vervielfältigen und beanspruchte als Erster das musikalische Urheberrecht. Die Kompositionen erschienen einzeln oder in Fortsetzungszeitschriften wie „Der getreue Music-Meister“.
Öffentliche Konzerte statt Musik am Hofe
Nach und nach öffnete sich auch das ständisch geschichtete Musikleben einem größeren, öffentlichen Publikum. Diese „Demokratisierung“ fand zunächst in Gasthäusern statt, wo die Musik der Unterhaltung beim Diner galt. Mit der Zeit entstanden in studentischen Kreisen Vereine und „Sozietäten“, die sich der Veranstaltung von Aufführungen verschrieben, in denen Dilettanten mit Berufsmusikern zusammenspielten. Somit war der Weg frei für größere, öffentliche
Konzerte für Musikliebhaber aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten.
Auch das Instrumentarium wurde grundlegend umgestellt und an neue Bedürfnisse angepasst. In der zweiten Jahrhunderthälfte löste das elegante Hammerklavier (Pianoforte) das dominante Cembalo ab, und Streichquartette (z. B. mit Violinen, Bratsche, Cello) entwickelten sich – vor allem dank Josef Haydn – zur führenden Gattung innerhalb der Kammermusik. In Bürgerkreisen wurde das praktisch tragbare Clavichord sehr beliebt. Was den großen Konzertsälen das stattliche Pianoforte, war dem häuslichen Musikzimmer dieses kleinste aller Klaviertypen. Neue ausdrucksfähige Instrumente, die für die Hausmusik geeignet waren, lösten alte schwerfällige ab – der musikliebende bürgerliche Dilettant bevorzugte leicht zu beherrschende Instrumente.