Gondolieri als Claqueure in der Oper

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Barocke Oper

Der Siegeszug der barocken Oper in Europa begann im 17. Jahrhundert in Italien und endete um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1637 wurde in Venedig das erste kommerzielle Opernhaus eröffnet und bis 1678 gab es neun Theater, in denen insgesamt 150 Opern gegeben wurden. Die Erfindung der variablen Bühne ermöglichte häufige Szenenwechsel. Mit Maschineneffekten wurden Illusionen geschaffen, sodass Globen über die Bühne schwebten oder künstliche Tiere eingebaut werden konnten. In ganz Europa feierte man das Bezaubernde der französischen und das Pathetische der italienischen Oper.

Doch die mythologischen Stoffe der frühen Opern wurden verdrängt durch Themen des Alltags mit komplexen Handlungssträngen. Verschwörungen und Revolten, Liebesszenen und komische Intermezzi unterhielten das Publikum besser als das Heroentheater, die Verherrlichung von Fürstentreue, Großmut und Tapferkeit. Auch in der Musik war die von der Aufklärung propagierte Freiheit des Herzens angekommen.

Opern und Singspiele für das Volk

Populär wurden komische Gattungen wie die italienische opera buffa. Komische Intermezzi, die vorher ein Schattendasein als Pausenfüller zwischen den Akten führten, verselbstständigten sich zu abendfüllenden komischen Opern, die im ländlichen oder bürgerlichen Milieu spielten, und die dem Ideal der Natürlichkeit im Sinne Rousseaus entsprachen. Die Musik orientierte sich mehr an der Handlung, Dialoge und Ensembles ersetzten Solo-Arien.

Im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen trafen sich im 18. Jahrhundert in den prunkvollen Sälen nicht mehr nur die Nobili, sondern auch einfache Bürger und auswärtige Besucher. Unter anderen wurden Gondolieri als Claqueure bezahlt, mussten das Operngeschehen also gut verstehen. Die „Rieurs“ lachten an vorgegebenen Stellen „spontan“, die „Pleureurs“ schluchzten während rührender Szenen und die „Tapageurs“ sollten euphorisch applaudieren.

Deutsche und österreichische Musiker komponierten statt italienischen Opern deutschsprachige Singspiele mit eingängigen Melodien und gesprochenen Zwischentexten. Hier hießen die Helden nicht Daphne, Orpheus oder Kallisto, sondern Lottchen, Hänsgen oder Sophie. Einer der bedeutendsten Opernkomponisten der Vorklassik, Christoph von Gluck (1714-1787), zog es an die Mailänder Oper. Seine opere serie und tragédies lyriques konnten Bewohner mehrerer europäischer Städte, die kein Opernhaus besaßen, in mobilen Opern erleben. Sesshaft wurde er 1754 als Kapellmeister in Wien.

Portrait von Farinelli
Corrado Ciaquinto, Portrait von Farinelli, ca. 1755

Ab den 1780er Jahren führten die Wiener Klassiker Josef Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven deutsche, italienische und französische Stilarten zusammen und werteten die Instrumentalmusik zur autonomen Kunst auf. Diese großen Künstler beherrschten sämtliche Musikarten und Kompositionsweisen.

Ruhm und Elend der Kastratensänger

Nicht vergessen sollte man jedoch die vielleicht dunkelste Seite der schillernden Musikwelt: das Geschäft mit Kastratensängern. Tausende Jungen wurden vor der Geschlechtsreife kastriert, um die Sopran- oder Altstimme zu erhalten. Die grausame Tradition stammte aus katholischen Kirchenchören: Waisenkinder wurden im Verborgenen illegal operiert, um den guten Klang des Chores zu gewährleisten – denn nur ein schöner Chor brachte hohe Spenden!

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es eine wahre Kastrationswelle: In der Hoffnung auf Ruhm und Reichtum verkauften arme Eltern in Italien ihre Jungen für ein Trinkgeld an Eunuchenhändler. Aufgrund der unhygienischen Eingriffe starben viele Kinder, und die Überlebenden litten ein Leben lang an physischen und psychischen Spätfolgen. Erfolgreiche Kastratensänger genossen dagegen ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren Sänger wie Farinelli (1705-1782) oder Senesino (1686-1758) hoch bezahlte Stars der Opern und der Höfe.

Vom Piano zum Clavichord: Kammermusik im Bürgertum

Mit den einschneidenden Änderungen im Leben der Menschen änderte sich im 18. Jahrhundert auch ihre Einstellung zur Musik. Vorher wurde zwar in der Kirche, auf Festen oder bei Repräsentationsveranstaltungen des Fürsten musiziert, jedoch selten im Privaten. Aus der einfachen Hausmusik in bürgerlichen Haushalten entstand gediegene „Kammermusik“ mit kleiner Instrumentalbesetzung in den Salons.

Adolph Menzel: "Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci"
Adolph Menzel: „Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci“

Dabei leitet sich der Begriff her von „musica da camera“ – im Mittelalter alle für die höfische „Kammer“ bestimmten, weltlichen Musik-Arten. Es waren nicht mehr nur die Fürsten, die in den Genuss von schön komponierter Musik kamen. 

Damit die Bürger selbst musizieren konnten, brauchten sie einfache Kompositionen, von denen das Lied am beliebtesten war. Es beinhaltete aus dem Leben gegriffene, gesungene Texte ohne großen Anspruch, damit – so J.A.P. Schulz im Vorwort zu einer der massenhaft gedruckten Liedersammlungen – „auch ungeübte Liebhaber des Gesanges, sobald es ihnen nicht ganz und gar an Stimme fehlt, solche leicht nachsingen und auswendig behalten können“.

Georg Philipp Telemann: ein Unternehmer im Musiksektor

Zu dieser Entwicklung trug auch der wirtschaftliche Erfolg Einzelner bei. Mäzene kamen nicht mehr nur aus der Oberschicht, sondern oft aus dem Bürgertum. Und Spielvorlagen wurden professionell vermarktet. Auf diesem Gebiet war Georg Philipp Telemann (1681-1767) besonders fleißig: Er wirkte nicht nur als einer der europaweit bekanntesten Musiker seiner Zeit mit einem vielseitigen und umfangreichen Fundus an Kompositionen aus Spätbarock bis Frühklassik – darunter allein 50 Opern, 1400 Kirchenkantaten, 1000 Orchestersuiten und 100 Solokonzerten – sondern auch als Unternehmer im Musiksektor. Er veranstaltete öffentliche Konzerte – ein Novum! –, ließ seine Musikdrucke vervielfältigen und beanspruchte als Erster das musikalische Urheberrecht. Die Kompositionen erschienen einzeln oder in Fortsetzungszeitschriften wie „Der getreue Music-Meister“.

Öffentliche Konzerte statt Musik am Hofe

Nach und nach öffnete sich auch das ständisch geschichtete Musikleben einem größeren, öffentlichen Publikum. Diese „Demokratisierung“ fand zunächst in Gasthäusern statt, wo die Musik der Unterhaltung beim Diner galt. Mit der Zeit entstanden in studentischen Kreisen Vereine und „Sozietäten“, die sich der Veranstaltung von Aufführungen verschrieben, in denen Dilettanten mit Berufsmusikern zusammenspielten. Somit war der Weg frei für größere, öffentliche

Johann Voorhout: "Häusliche Musikszene", 1674
Johann Voorhout: „Häusliche Musikszene“, 1674

Konzerte für Musikliebhaber aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten.

Auch das Instrumentarium wurde grundlegend umgestellt und an neue Bedürfnisse angepasst. In der zweiten Jahrhunderthälfte löste das elegante Hammerklavier (Pianoforte) das dominante Cembalo ab, und Streichquartette (z. B. mit Violinen, Bratsche, Cello) entwickelten sich – vor allem dank Josef Haydn – zur führenden Gattung innerhalb der Kammermusik. In Bürgerkreisen wurde das praktisch tragbare Clavichord sehr beliebt. Was den großen Konzertsälen das stattliche Pianoforte, war dem häuslichen Musikzimmer dieses kleinste aller Klaviertypen. Neue ausdrucksfähige Instrumente, die für die Hausmusik geeignet waren, lösten alte schwerfällige ab – der musikliebende bürgerliche Dilettant bevorzugte leicht zu beherrschende Instrumente.