Um das Theater in Deutschland war es im 18. Jahrhundert schlecht bestellt. Schauspieler verdienten ihren Lebensunterhalt in fahrenden Theatergruppen, die Dorfplätze mit kurzweiligen Stücken auf bunt zusammengesetzten Bühnenvorlagen füllten. Es wurde mehr improvisiert als zitiert, hohe Tragödien wurden zur Unterhaltung des ungebildeten Volkes mit komischen Zwischenspielen und stereotypen Figuren verwässert.
Es gab den Liebhaber, den Lüstling, die schlaue Tochter, den alten Vater und den Harlekin. Den bildungshungrigen Bürger interessierten die Laienstücke der Wandertruppen nicht, sie erwarteten anspruchsvolle Unterhaltung in einem gehobenen Ambiente. Doch erst zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Wien, Mannheim, Berlin und München Nationaltheater errichtet.
Das aufklärerische Theater von Gottsched und Neuber
In seiner „Critischen Dichtkunst“ forderte der Leipziger Literaturprofessor Johann Christoph Gottsched bereits 1730 neue theoretische Leitkategorien für eine systematische Erneuerung des deutschen Dramas. Bürger sollten emanzipiert und Fürsten zu aufgeklärten Herrschern erzogen werden – und zwar nicht mit Stegreifspielen und Witzen, sondern mit fundierten, vom Geist der Aufklärung erhellten Dialogen und Handlungen.
Eine bedeutende Figur der aus der Mode gekommenen italienischen Commedia dell’arte, der Arlecchino, war Gottsched ein Dorn im Auge. Seine Streiche und Obszönitäten störten den geregelten Ablauf eines Theaterstückes mit moralischer Aussage. Als Fantasiefigur konnte er außerdem keine aufklärerischen Ideale transportieren. Um die Vertreibung des klassischen Harlekin aus dem aufklärerischen Theater zu symbolisieren, wurde im Jahr 1737 unter der Leitung der Schauspielerin und Ensemble-Leiterin Friederike Caroline Neuber eine Puppe auf der Bühne verbrannt.
Mit Neuber entwickelte Gottsched eine theoretische Theaterreform, die sie in Dramen praktisch umsetzte. Im Jahr 1727 erhielt die Neuberin das sächsische Hofprivileg, in Leipzig ein Theater zu errichten und gründete ihre „Neuber’sche Komödiantengesellschaft“. Sie bildete Schauspieler künstlerisch aus und zahlte feste Gehälter, was maßgeblich zur Anerkennung des Berufsstandes beitrug. Bis heute gilt Caroline Neuber als Begründerin des modernen Schauspiels und als Wegbereiterin des literarischen Theaters in Deutschland.
Gottscheds Theorie zog aber auch Kritik auf sich, da er die Ständeklausel weiter befolgen wollte. Gemäß dieser Klausel gab es nur ein adliges Trauerspiel und ein bürgerliches Lustspiel. Nur der Adel durfte in tragischen Figuren dargestellt werden, für den Bürger blieb die Komödie, seine Probleme und Schwächen wurden ausgelacht, da ihm nach Ansicht des Adels die Fähigkeit zum tragischen Erleben fehlte.
Bürger als tragische Helden
Als Gotthold Ephraim Lessing 1767 als Theaterdichter nach Hamburg berufen wurde, propagierte er mit Stücken wie „Emilia Galotti“ oder „Miss Sara Sampson“ das Gegenteil. Der Zuschauer sollte sich als Mensch mit dem Protagonisten identifizieren können – unabhängig von seiner gesellschaftlichen Position. Der Held sollte nicht immer ein Adliger sein, auch ein Bürger durfte nun im Mittelpunkt stehen: Aus Tragödien wurden bürgerliche Trauerspiele mit tragischem Ende. Beliebter waren jedoch „Rührstücke“ mit glücklichem Ausgang, die das Erfahren von sinnlicher Liebe im empfindsamen Schauspiel und das Streben nach gesellschaftlicher Emanzipation mit moralisch-erzieherischer Wirkungsabsicht hervorhoben.
Vorbilder für das deutsche Theater jener Zeit waren französische Tragödien von Corneille, Racine und Voltaire sowie Komödien von Molière, Beaumarchais oder Marivaux. Beaumarchais‘ Erfolgskomödie „Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro“ (1785) spiegelt die Konfrontation der drei Klassen – Adel, Geistlichkeit, Bourgeoisie – wider und stellt das Ancien Régime durch die Adelskritik in Frage.