Die Verbreitung von Berichten über Entdeckungsreisen weckte in der Frühen Neuzeit das Interesse und die Curiositas (Neugierde) der Weltinteressierten. Nicht nur an exotischen Abenteuern und Unterhaltung, sondern auch an ethnologischen, botanischen und geographischen Kenntnissen. Mit der Entdeckung neuer Kontinente änderten sich auch die Vorstellungen über fremde Völker. Heimkehrer erfanden Schauergeschichten von Wilden im Urwald mit nur einem Auge oder nur einem Fuß. Es kursierten Stereotypen von Menschenfresserei und Teufelsanbetung.
In „Kuriositätenkabinetten“ stellten die ersten Wissenschaftler und Sammler seit dem Beginn der großen Expeditionsfahrten in die Neue Welt zur Schau, was sie von weit gereisten Abenteurern kauften. In der Spätrenaissance wurden diese Räume „Wunderkammern“ genannt und waren die Vorläufer wissenschaftlicher Naturkundesammlungen.
Fabelwesen auf Kupfertafeln
Dem Einfallsreichtum im Tierreich waren keine Grenzen gesetzt. Matthäus Merian gab von 1650 bis 1653 die fünfbändige Naturgeschichte der Tiere des schlesischen Arztes, Naturforschers und Polyhistors John Jonston, die Historia naturalis animalium, heraus: Auf 248 Kupfertafeln waren knapp 3.000 Tierabbildungen versammelt. Ca. 100 Jahre blieb das Werk das maßgebend Handbuch der Tierkunde. Als Vorlagen dienten Zeichnungen aus dem Werk Historia animalium des Schweizer Naturforschers Conrad Gesner, dem Begründer der modernen Zoologie und des ersten Botanischen Gartens. Auch Abbildungen des italienischen Zoologen Ulisses Aldrovandi nach aristotelischen Vorlagen bildete Jonston (mit Quellenangabe) ab.
Die Leser sahen fantastische Wesen: Zebras mit Maultierkopf (Indianisch Maulthier), Meerwölfe, Dromedare mit Fellbüscheln statt Höckern (Dromedary), Kamele mit Giraffenkopf und Löwenkörper (Indianisch Camel). In seinem Werk Monstrorum historia gab es gar Drachen (Dracos), darunter einen krallenlosen Lindwurm mit Flügeln. Unter den Gestalten, die z. T. als existent galten, waren auch Seemenschen mit riesigen Ohren und Schwanzflossen und eine „Martigora“ mit Skorpionsschwanz und menschlichem Gesicht!
Wissenschaft und Aberglaube
Die Zeichnungen weckten die Ängste des Volkes. Denn wer konnte schon mit Sicherheit behaupten, dass diese wunderlichen Fabelwesen nur auf dem Pergament existierten? Selbst Insekten gegenüber war man skeptisch. Die christliche Kirche betrachtete sie als „Teufelsgeziefer“ und nährte den Aberglauben, Hexen könnten sich in Gestalt von „Butterfliegen“ an Rahm und Butter satt essen. Der Gelehrte Aristoteles hatte behauptet, Insekten entstünden aus Schlamm. Krünitz lässt in seiner Enzyklopädie jedoch keinen Zweifel daran, wer für die Belehrung des Volkes bei der Beseitigung des Aberglaubens zuständig sei: „Der Ursprung dieser abergläubischen Dinge ist in der Unwissenheit der Natur- und Geisterlehre der Alten zu suchen. Die Gelehrten sind es, welche diesen Aberglauben nach und nach bestreiten und ausrotten sollen.“