„Du, glückliches Österreich, heirate!“ – Maria Theresias Einfluss in Europa

Maria Theresia von Österreich (1717-1780) war die einzige Frau, die jemals an der Spitze des Hauses Habsburg stand und zählt zu den einflussreichsten und bedeutendsten Frauen der Weltgeschichte. Sie nahm den Titel ihres 1745 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönten Gatten Franz I. Stephan an. Obwohl sie nie gekrönt wurde, nannte man die Frau, die Österreichs Regierungsgeschäfte führte, Kaiserin. Sie war jedoch zugleich die Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen sowie die Gräfin von Tirol.

Kaiserin Maria Theresia, Gemälde von Martin van Meytens, um 1752
Kaiserin Maria Theresia, Gemälde von Martin van Meytens, um 1752

„Die Erste Dame Europas“ regierte mit einer Mischung aus schlauem Kalkül, gesundem Menschenverstand und der Gabe, Menschen zusammenzubringen. Getreu dem traditionellem Habsburg-Motto „Bella gerant alii, tu, felix Austria, nube“ („Kriege mögen die anderen führen, du, glückliches Österreich, heirate“), hat sie ihre 16 Kinder taktisch klug in ganz Europa verheiratet und damit die Geschicke zahlreicher Herrscherhäuser beeinflusst, darunter Parma, Neapel oder Frankreich. Die Dynastien Bourbon und Habsburg vereinten sich, um gegen die gemeinsamen Feinde Preußen und England anzutreten. Nach dem Tod ihres Mannes (1765) ernannte Maria Theresia ihren 24-jährigen Sohn Joseph offiziell als Mitregenten, vertraute ihm jedoch lediglich die Heeresreform an.

Mit Königin Maria Theresia ging ein tiefgreifender gesellschaftlicher und politischer Wandel einher. Sie nahm Neuerungen in Staat und Gesellschaft in Angriff, da der österreichische Erbfolgekrieg das Land im Vergleich zu anderen Staaten zurückgeworfen hatte. Umgeben von qualifizierten Beratern wie dem Kanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz und Friedrich Wilhelm Graf Haugwitz, führte sie etliche Reformen ein, unter anderem auf den Gebieten Wirtschaft, Bildung, Münzwesen und Verfassung. So verabschiedete sie 1774 die Schulverordnung, zügelte die Macht der Jesuiten im Bildungssystem und ließ dieses mit Hilfe von Pädagogen wie J. A. Felbiger umordnen.

Kulturelle Toleranz und Freiheit

Es entstand ein zentralistischer Einheitsstaat mit einem mächtigen Staatsbeamtentum und für einen aufgeklärten Absolutismus typische Veränderungen. Carl Ramshorn schrieb in „Maria Theresia und ihre Zeit“ im Jahr 1861, es sei ihre Absicht gewesen, „vor allem die Gerichtsbarkeit und die höhere Polizei nach und nach in die Hände der Regierung zu bringen“ und  „in das vielgestaltete Gemeindeleben in den verschiedenen Theilen der Monarchie eine größere Gleichmäßigkeit zu bringen und dasselbe den Bedürfnissen, Bestrebungen und Ansichten der Zeit mehr und mehr konform zu machen“. Kulturell sehr offen und interessiert, tolerierte Maria Theresia außerdem eine lebendige Publizistik. Von einer gelockerten Zensur profitierten literarisch, wissenschaftlich, praktisch-ökonomisch und philosophisch-ethisch orientierte Aufklärungsgesellschaften.

Grundlegende Änderungen im Strafrecht waren die Einschränkung der Todesstrafe und die Abschaffung der Folter 1776. Dies war auch das Verdienst des Wiener Regierungsrates Joseph von Sonnenfels‘, der in seiner Schrift „Über die Abschaffung der Tortur“ fragt: „Wenn die Untersuchung durch die Folter weder dem Richter die Zuverlässigkeit gewähret, welche in peinlichen Verurtheilungen nothwendig ist; wenn sie nicht einmal nur die Wahrscheinlichkeit gegen den Beschuldigten vergrössert; wenn sie zur Verurtheilung überflüssig ist, da ein in Verdacht genommener, auch ohne zum Bekenntnisse gebracht zu seyn, dennoch gesstraft werden kann“ – ist die Folter dann sinnvoll? Stattdessen sollten Verbrecher dem Allgemeinwohl dienen und in der Strafanstalt zu besseren, in die Gesellschaft integrierbaren, Menschen erzogen werden.

Für mehr Gerechtigkeit und Freiheit ihrer Untertanen führten die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Abschaffung von Adelsprivilegien, religiöse Toleranz und staatliche Wohlfahrt. Der Thronnachfolger Joseph II. setzte nach 1780 weitere aufklärerische Reformen in Gang. Revolutionär waren seine Säkularisierungsmaßnahmen: Alle Orden, die im volkswirtschaftlichen Sinne unproduktiv waren, also keine Krankenpflege, Schulen oder andere soziale Aktivitäten betrieben, wurden aufgehoben, ihr Besitz verstaatlicht. In den Jahren 1781/82 waren das 700 Klöster.

Der Dollar des 18. Jahrhunderts

Auch am anderen Ende der Welt erkannten viele Menschen das Abbild der österreichischen Kaiserin – auf Münzen. Der Maria-Theresia-Taler wurde seit der im September 1753 mit dem Kurfürsten von Bayern abgeschlossenen Münzkonvention verwendet. Seit dem Tod Maria Theresias im Jahr 1780 wird der Taler mit Jahreszahl 1780 als Handelsmünze nachgeprägt. Aber er wurde nicht nur innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation geprägt, etwa in Karlsburg, Mailand, Prag oder Venedig, sondern auch außerhalb, in Birmingham, Bombay, Brüssel,  Paris, oder Utrecht. Der Taler war bis zum Jahr 1858 gesetzliches Zahlungsmittel im Kaiserreich Österreich. Bis weit ins 20. Jahrhundert war er jedoch auch als äußerst zuverlässiges Zahlungsmittel in weiten Teilen Afrikas und Asiens bis in den indischen Raum hinein im Gebrauch – der Dollar des 18. Jahrhunderts!

Josephs II. Lieblingsprojekt: Das Gesundheitswesen

Die Rolle der Krankenhäuser änderte sich im 18. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich grundlegend. Bis dahin hatten die Kirche und pflegende Orden sich für arme Menschen verantwortlich gezeigt. Im Geiste der Aufklärung war das öffentliche Gesundheitswesen insbesondere Kaiser Joseph II. ein wichtiges Anliegen. Mit der Gründung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien – bis heute das größte Krankenhaus Österreichs – verbesserte sich auch die Situation der Ärzte. Da in immer größeren Kliniken ganze Patientengruppen mit denselben Symptomen zusammenkamen, mussten sie sich nicht weiter auf unklare, subjektive Schilderungen von Kranken stützen, sondern profitierten vom gegenseitigen Wissen und führten Routineuntersuchungen wie Abtasten, Abklopfen oder Abhorchen ein. Außerdem trugen medizinische Handbücher zur Aufklärung und eigenständigen Erkennung von Symptomen bei. Krankheiten wurden nicht länger als „Strafe Gottes“ für Sünden, Gesundheit wurde nicht mehr als „Geschenk Gottes“ angesehen. Aufgeklärte Menschen machten sich bewusst, dass sie selbst für ihren Körper verantwortlich waren. Arzneien wurden zugänglicher und in größeren Mengen hergestellt, obwohl sie nicht immer die versprochene Wirkung herbeiführen konnten – vielleicht half manchmal schon der Placebo-Effekt. In ländlichen Gegenden waren die meisten Einwohner jedoch weiterhin auf bezahlbare medizinische Versorgung durch dörfliche Hebammen, Kräuterheiler oder Wundheiler angewiesen. Konsultationen bei praktisch zugelassenen, studierten Ärzten konnten sich nur Wohlhabende leisten.

Erste Impfmethoden aus dem Orient

Anfang des 18. Jahrhunderts war das Impfen vielerorts noch als Quacksalberei und Teufelszeug angesehen, während es in anderen Ländern sogar in Dörfern praktiziert wurde. Auf einer Reise durch das Osmanische Reich erlebte die Schriftstellerin Lady Mary Montagu im Jahr 1717 die erste große Impfung in Konstantinopel. Ihrer Freundin Lady Sarah Chiswell schrieb sie: „Die Blattern, die bei uns so gefährlich und verbreitet sind, werden hier mittels der Pfropfung (Impfung), wie sie es nennen, ganz unschädlich. Gewisse alte Weiber machen sich ein Geschäft daraus, die Operation zu verrichten. Die Familien befragen sich untereinander, ob jemand unter ihnen die Blattern haben will. Sie schließen sich zu Gesellschaften zusammen, und wenn ihrer genug sind, gewöhnlich fünfzehn oder sechzehn, dann kommt die alte Frau mit einer Nussschale voll Blatternmaterie von der besten Art. Sie fragt, welche Ader man geöffnet haben will.“ Durch Einritzen in die Haut infizierten sich die Menschen und bekamen nach einer Woche Fieber, das wenige Tage anhielt. Durch dieses Verfahren entstanden zwar einige Pocken, diese heilten jedoch ab, ohne Narben zu hinterlassen und verschafften den Betroffenen Immunität. Der österreichischen Königin Maria Theresia hätte diese Maßnahme viel Leid erspart. Sie litt nach ihrer Krankheit so sehr an den Narben, dass sie alle Spiegel im Schloss abnehmen ließ.

Präventivmaßnahmen werden salonfähig

Nach ihrer Rückkehr gelang es Lady Montagu, zwei Ärzte für die Pockenimpfung zu gewinnen und hatte zunächst so weitgehenden Erfolg, dass sich gar zwei Mitglieder der königlichen Familie impfen ließen. Der Widerstand und die Feindschaft eines Großteils der Ärzteschaft folgte jedoch prompt, wie die Lady es vorausgesagt hatte – „diese Krankheit ist für sie zu einträglich, um nicht den kühnen Ritter, der es wagen sollte, ihr den Garaus zu machen, ihrer ganzen Rache auszuliefern.“ Dazu kam die Verdammung durch die hohe Geistlichkeit, die gegen den „heidnischen Brauch“, der in die Pläne der göttlichen Vorsehung eingriffe, predigte. So verlief der fortschrittliche Plan in England im Sande. Erst im Jahr 1796 entwickelte der englische Landarzt Edward Jenner eine zuverlässige Impfmethode gegen die gefährlichen Pocken bzw. Blattern. Er fand heraus, dass Landarbeiter, die sich bereits mit den harmlosen Kuhpocken infiziert hatten, oft von den gefährlichen, meist tödlich verlaufenden Menschenpocken verschont blieben. Im Jahr 1796 infizierte Jenner Patienten gezielt mit Kuhpocken und begründete damit die Methode der „aktiven Immunisierung“, bei welcher der Körper zur eigenständigen Bildung spezifischer Abwehrstoffe befähigt wird.

Die Freimaurer: Eine „Gesellschaft mystischer Philosophen“?

Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit.

Die Freimaurerei versteht sich als ethischer Bund freier Menschen mit der Überzeugung, dass die Arbeit an sich selbst zu einem menschlicheren Verhalten führe. Die fünf Grundideale der Gruppe – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität – sollen durch die praktische Einübung im Alltag gelebt werden. Krünitz sprach damals von einer „Gesellschaft mystischer Philosophen“, die propagierten, „daß nur die Moral wahre Wissenschaft, und wahre Tugend nur die gesellige sey.“

Freimaurer-Ritual
Initiation eines „Suchenden“, Kupferstich, Frankreich, 1745

Wie in Handwerkerzünften durchliefen Mitglieder des Männerbundes die Grade Lehrling, Geselle und Meister. Versammlungen der „Brüder“ bestanden aus einer gemeinsamen Mahlzeit, einem Vortrag mit anschließender Diskussion und einer Kollekte: Netzwerken und Coaching in der Frühen Neuzeit! Menschen aller sozialer Schichten, Bildungsgrade und Glaubensvorstellungen wurden aufgenommen, um am Aufschwung der Gelehrsamkeit und Wissenschaften im Sinne der Aufklärung teilzuhaben. Im Gegensatz zu anderen Geheimgesellschaften warben die – eigentlich gar nicht so geheimen – Logen nicht um Mitglieder; was wirklich zählte, war Eigenmotivation. Über die Aufnahme entschied die „Kugelung“, eine geheime Abstimmung mit weißen und schwarzen Kugeln. 

Prominente aus Politik und Kultur in deutschen Logen

Im Jahr 1723 wurde die Konstitution der ersten Großloge in England veröffentlicht. 27000 Mitglieder in 450 Logen verzeichnete die Gesellschaft im Zeitraum von 1737 bis 1789 in ganz Europa, bis hin in französische und spanische Kolonien. In Deutschland entstanden insgesamt acht anerkannte Freimaurer-Großlogen. Prominente aus Kunst und Literatur wie Mozart, Goethe, von Dalberg, Lessing und die französischen Enzyklopädisten waren den Freimaurern angetan. Zu den prominentesten „Brüdern“ zählten große Staatsmänner wie Gustav III., die Brüder Ludwigs XVI. oder Kaiser Franz I. Friedrich der Große trat schon als Kronprinz von Preußen bei, durchlief wie alle anderen die Ausbildungsstufen – und übernahm 1738 die Großmeisterwürde der Berliner Loge „Zu den drei Weltkugeln“. Friedrich war bereits König von Preußen, als sein Schwager, Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth, 1741 in seiner Residenz die Schlossloge „Zur Sonne“ gründete, die 1744 in „Große Mutterloge“ umbenannt wurde. Im Rahmen der Kaiserkrönung Karls VII. entstand in Frankfurt die städtische Loge „Zur Einigkeit“.

Das Freimaurertum gab sich betont humanistisch und aufklärerisch, war aber für Außenstehende undurchschaubar. Ausgewählte, der Verschwiegenheit verpflichtete Mitglieder bewahrten esoterische Geheimnisse und pflegten das Arkanprinzip: Kultbräuche und Rituale fanden hinter verschlossenen Türen statt. Die meisten Logen unterlagen außerdem der „Strikten Observanz“, einem hierarchischem System, das angeblich vom untergegangenen Templerorden abstammte.

Abenteurerei und Mozarts Zauberflötenverrat

Wolfgang Amadeus Mozart, Barbara Krafft 1819
Wolfgang Amadeus Mozart, von Barbara Krafft 1819

Da den Freimaurern Spekulantentum, Abenteurerei, Geisterbeschwörungen und Alchemie nachgesagt wurden, waren sie der katholischen Kirche ein Dorn im Auge. Sowohl der von Papst Clemens XII. 1738 verordnete Bannfluch als auch die 1751 von Papst Benedikt XIV. erlassene Anti-Freimaurer-Bulle wurden lange ignoriert, sodass schließlich die Inquisition eingriff. Freimaurer-Aktivitäten wurden verboten, Katholiken wurde unter Androhung der Exkommunikation der Kontakt zu den Logen untersagt. Da Friedrich der Große selbst einer Loge vorstand, wurden die Freimaurer in Deutschland jedoch toleriert.

Auch in Österreich herrschte reges Interesse an der Vereinigung. Mozart war überzeugtes Mitglied und schrieb mit der „Zauberflöte“ eine Ode an die Freimaurerei. Nach seinem mysteriösen Tod im Jahr 1791 hielt sich lange Zeit das Gerücht, „Brüder“ hätten Mozart in Wien umgebracht, weil er angeblich Geheimnisse preisgegeben hatte: Eine Akkordfolge in der Oper gab die charakteristischen Hammerschläge der Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ wieder. Für wahrscheinlicher halten Forscher heute jedoch, dass der erst 35-Jährige an einer damals in Wien grassierenden Angina starb.

Der Bund ist kein Phänomen der Frühen Neuzeit. Die „Brüder“ sind noch heute in Logen organisiert. Die Freimaurerei trägt viele Namen, darunter freemasonry im englischen Sprachbereich, francmasonería in Spanien und Südamerika oder franc-maçonnerie in Frankreich. Es werden weltweit ca. fünf Millionen Mitglieder gezählt. Die Vereinigten Großlogen von Deutschland zählen hierzulande etwa 470 Freimaurerlogen mit insgesamt 14000 Mitgliedern. Sie richten sich nach eigenen Angaben an „freie Männer von gutem Ruf“, „die nicht bleiben wollen, wie sie sind, sondern ein Interesse an Persönlichkeitsentwicklung haben“. Beim Training schöpfen sie aus einem „reichhaltigen historischen Brauchtum.“

Was verband Voltaire und Friedrich den Großen?

Potsdam zwischen Kunst und Krieg

Ein eigenartiges Gespann oder „eine wunderbare Freundschaft“? Über 800 Briefe aus 42 Jahren dokumentieren die  intensive Korrespondenz zwischen Frankreichs berühmtem Philosophen Voltaire und Preußens bedeutendem König Friedrich II. – und sie begegneten sich auch oft persönlich.

Gemälde Tafelrunde Friedrich der Grosse von Adolph Menzel
Tafelrunde Friedrichs d. Gr. von Adolph Menzel 1850

Im Jahr 1740 nahm Voltaire eine Einladung des Kronprinzen an und stattete ihm einen zweiwöchigen Besuch auf Schloss Rheinsberg ab. Kurz danach verstarb Friedrichs Vater, der auf alles Militärische fixierte „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I., und aus dem Kronprinz wurde der König Preußens. Zehn Jahre später lud der Regent Voltaire nach Potsdam ein und ernannte ihn zum Kammerherrn des 1747 vollendeten Schlosses Sanssouci.

Der 58-jährige Philosoph blieb zwei Jahre. Er wollte den 17 Jahre jüngeren Freund für seine Ideen von Freiheit und Toleranz gewinnen, lehrte ihn in der königlichen Bibliothek Rhetorik, Dichtkunst und Philosophie. Friedrich II. umgab sich in Potsdam mit mehreren französischen Gelehrten und war einer der meistpublizierten Autoren seiner Zeit. In seinem Werk „Antimachiavell“ erklärte er seine humanistischen Ideen einer breiteren Öffentlichkeit. 

Die aufklärerischen Maßnahmen führten zu Vorteilen für seine Untertanen, die ihn fast liebevoll „Alter Fritz“ nannten: Abschaffung der Folter, Aufhebung der Zensur, Senkung von Getreidepreisen und Reformation der Justiz. Zum Alltag seiner Politik gehörten jedoch vor allem zahlreiche Kriege und politische Intrigen.

Schöngeistiger Kriegsherr und Philosophenkönig

Voltaire propagierte einen „aufgeklärten Absolutismus“ und sah in Friedrich einen „guten König“. In Kriegszeiten griff er die preußischen Territorialbestrebungen jedoch scharf an. Im Februar 1747, inmitten der Schlesischen Kriege, bezeichnete der Dichter den König ironisch als „Philosophenfürst, der sich seine Zeit einteilt, um Schlachten zu liefern und Opern zu geben, der sich auf den Krieg, den Frieden und auf Dichtung und Musik versteht, der Missbräuche in der Justiz beseitigt und zu alledem der herausragendste Schöngeist Europas ist.“

Entsetzt schrieb er auch: „Werden Sie denn niemals aufhören, Sie und Ihre Amtsbrüder, die Könige, diese Erde zu verwüsten, die Sie, sagen Sie, so gerne glücklich machen wollen.“ Der König befand sich zur selben Zeit auf dem Schlachtfeld. Er galt als „roi charmant“, da er nicht vom Schreibtisch aus Schlachten dirigierte, sondern Kriegshandlungen vor Ort beeinflusste.

Voltaire und Friedrich der Grosse
Georg Schöbel, um 1900: Friedrich d. Gr. und Voltaire

Zierde der Literatur und Ehre des Menschengeistes

Der ehrgeizige Dichter strebte nach mehr Einfluss, spann Intrigen, um dem Präsidenten der neu gegründeten Akademie der Wissenschaften seinen Posten streitig zu machen. Friedrich II. sprach wütend von einer „Unverfrorenheit“, ließ sogar ein Buch Voltaires öffentlich verbrennen. Vorbei die Zeit, als er den Dichter als „die Zierde der Literatur und die Ehre des Menschengeistes“ pries. Voltaire reiste im März 1753 überstürzt ab, unter dem Vorwand, er wolle zur Kur fahren. In Frankfurt am Main ließ der König ihn gar verhaften, weil er einen Gedichtband zurückverlangte, den er seinem ehemaligen Vorbild selbst geschenkt hatte.

Bereits ein Jahr nach dem Eklat begannen die beiden aber wieder eine ausführliche, schmeichelhafte Korrespondenz – offensichtlich schätzten sie sich gegenseitig, brauchten aber die Distanz. Mal ging es um Alltägliches, dann um grundlegende Ideen über gerechte Kriege, über Toleranz und Vernunft. Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) nannte Voltaire seinen einstigen Freund zornig „Marquis de Brandenbourg“, nach dem Frieden von Hubertusburg am 15. Februar 1763 glätteten sich die Wogen wieder. Voltaire schrieb „Sie vergaßen, dass ich ein Mensch war.“ und Friedrich antwortete „Hätten Sie mir das (…) vor zehn Jahren gesagt, so wären Sie noch hier.“

An Voltaires zweitem Todestag 1780 ließ der „Alte Fritz“ ein feierliches Totenamt für sein großes Vorbild halten. Mit 700 Einzelschriften hinterließ Voltaire seiner Nachwelt eines der umfassendsten Werke der Literatur- und Geistesgeschichte. Dass er noch bis zu seinem Tod am 17. August 1786 arbeitete, zeigt sein Sterbeort: Er schlief im Schloss Sanssouci auf seinem Sessel ein.